Professor Kurt Weidemann, Eröffnungsrede Ausstellung Q-Galerie Schorndorf

Bilder im Gestrüpp der Ordnung

Petr Hrbek ist ein Kunstmaler mit einer beneidenswerten Arbeitskraft und einer strengen Selbstherausforderung. Am liebsten malt er direkt vor Ort, zum Beispiel in einem Ausstellungsraum. Seine von Bildern, Töpfen, Näpfen, Eimern, Farbdosen, Versuchsstreifen vollgestopfte Wohnung hat nur eine freie Wand, an der sich die Bilder wie Wachposten nacheinander ablösen. Es gibt keine Skizzen, keine Studienblätter, einführende Ideen, keine Drucke und grafischen Blätter. Es geht direkt auf den Malgrund und baut sich dort als Gemaltes auf mit einer zügigen Fertigungskraft.

Dabei war er bei der Akademieaufnahme ein hochbegabter Zeichner, für den es dann aber nichts mehr weiterzuentwickeln gab. Was er aus seiner russischen, tschechischen und deutschen Herkunft von Bierbrauern, Dorfpolizisten, Klosterleuten lernte und erlebte, hat ihn mehr geprägt als Professorenweisheit. Er war Außenseiter, nicht nur durch Herkunft, sondern auch in seinem Denken und Handeln.

Die Hälfte seiner Lebenszeit hat er hinter sich, aber nicht die Hälfte seiner Bilder, auch wenn er schon malt, solange er zurückdenken kann. Bilder, die mit einem Geradeausblick zu erfassen sind, aber auch acht mal acht Meter hat er mit der Ausdauer und im Tempo eines Marathonläufers bepinselt. Da ist er ganz konzentriert bei sich, um nach und nach außer sich zu geraten. Und dann deckt sich Lasurschicht auf Lasurschicht, bis sich die Herrschaft über das Bild so verdichtet hat, dass es dem Blick kein Entrinnen mehr gibt. Durch Vermischung entstehen tragende und leuchtende Farbräume, die erfassbare Formationen bilden. Ob man da organisierte schwimmende Fischschwärme oder fliegende Schmetterlinge oder hingeworfene Stifte, Zigarettenkippen, Mikadostäbchen sieht, das Wort kann diese Bilderwelt nicht erreichen. Sie ist natürlich aufgewachsen, lebendig geformt, wortlos aufgeschrieben. Die Röhren, Vergitterungen, Zusammenschlüsse aus Stürzen und Aufstrebungen haben eine chaotische Ordnung. Umgekehrt aufgehängt würden die Partikel radikal abstürzen. Bei aller Arbeitsbesessenheit hört er nicht eher auf, als bis er sieht, was er sehen will. Auch wenn manches Bild erst nach Wochen fortgesetzt wird.

Mit Pinseln aller Breiten, mit Auf- und Abstrichen, mit Farben aller Harmonien oder disharmonischen Spannungen ist er in einen Freiraum hineingewachsen, in dem keiner vor ihm war und nach ihm so leicht keiner kommen wird. Wo kann man in unserer Verbraucherwelt noch so etwas finden? Dort folgt er der Disziplin seiner Eingebungen und erzählt uns wortlos, was bei ihm und in ihm los ist.

Petr ist kein Schwadronierer. Er überlegt, was er sagt, denkt nach über das, was er gesagt hat, hört gut zu. Und er schweigt, wenn ihm sein Wissen das Wort nicht erteilt. Die Ahnenreihe seiner Bilder hat Vor-Bilder: Und zwar nur seine eigenen! Eine Kette, in der kein Glied einem anderen gleicht und die dennoch in diese Kette und sonstwo nirgends hineingehören, nirgends belanglos sind. Seine Bilder hören an den vier Rändern nicht auf, siehe gehen darüber hinaus, als ob sie auf das nächste Glied in der Kette warten.

Einen Einfall zu einem Bild hält er für eine zweitrangige Sache. Seine Empfindungen haben den Vorrang, seine subjektive Bedrängnis mit Farbe, Pinsel und Malgrund: auf der Leinwand, um die Ecke, an den Innenseiten von Schubladen und Unterseiten von Tischplatten. Wo, was, wie viel, wie lange ist unerheblich. Wichtig ist nur die Intensität, die Entschlusskraft, das Vermögen. Das wird mit allen fünf Sinnen eingesetzt, von sich selbst besessen und zeitvergessen.

Die Füllmenge und der Füllwert der Elemente bestimmen den Fortgang der Arbeit, den er beim Beginn eines Bildes noch nicht kennt. Seine elementare Vorgehensweise macht klar, dass die Grundfarben bei ihm Vorrang haben: Gelb, Rot Blau, wenig Zwischentöne.

Er hat einmal gesagt, wenn die Spedition um 7 Uhr 45 ein Bild abholen will, hört er um 7 Uhr 44 auf zu malen. Das ist nicht Beliebigkeit, denn sein Energiestrom versiegt nicht. Und das macht seine Bilder einmalig. Und unnachahmlich.

Prof. Kurt Weidemann
Schorndorf, 2005