Elementare Farbwege, 1995-1996
Bei meinen Orientierungsbesuchen im Pallas sah ich die langen, grauen Flure und meine Augen irrten fast endlos in den langen für den Menschen bestimmten Bahnen.
Diese grauen Flure mit den abgehängten Decken und ihren schrägen Aufbauleuchten, die als einzige eine gewisse Spannung in der Enge zu erzeugen vermögen, waren da. Die Feuerschotten, also die Querwände, welche die automatisch schließenden Brandschutztüren umfassen, gehören zu den wenigen Dominanten und so übernahmen sie auch in meinen Überlegungen die Aufgabe eines Teilers, eines Farbteilers. Die feststehenden Schotten werden mit bemaltem Stoff lückenlos kaschiert.
Gemalte Vitalität täuscht Innenleben dieses Bereiches vor. Kraftvolle Farben zentrieren optisch die fast raumhohen Türen. Der Farbfluß wird in original bemalten und scheinbar über der Decke endlos weiter vorhandenen Farbbereichen in klaren Formen weitergeleitet und je nach der Lage der nächstkommenden Querwand, harmonisierend als klar werdende Einzelfarbe in den Boden geleitet von senkrechten bemalten, 15 cm breiten Platten. Ab da setzen sich jeweils in Abständen angebrachte schmale Farbbahnen, im Ton der Farbe sich allmählich verändernd, an seitlichen Schlitzen der abgehängten Decke fort und erreichen in der Rhythmik ihre Auflösung. Der in den Schlitz übergehende Farbbereich wird jeweils um wenige Zentimeter in der sichtbaren Höhe verkleinert – diese Steigerung oder Schwächung der Farbwirkung wird je nach Länge der Flurabschnitte bestimmt.
Der Farbton befindet sich im fließenden Übergang (z.B. rot – orange – gelb) und erreicht die nächste Brandschutztüre frontal mit an der Seite angelehnter Türe. Dieser Bereich ist durch die Schließautomatikvorrichtung und die Gewichtung nach rechts sehr unruhig. Ausgleichend dazu wird eine schmale, mit Originalbemalung bezogene Forexplatte angebracht. Die Fortsetzung hinter der Feuerschotte verläuft systematisch weiter, die Farbwahl ist freilich eine andere (z.B. blau – hellblau – hellgrün – grün).
Die unterschiedlich langen Bereiche zwischen den Brandschutztüren können innerhalb der Flurverbindungen, in den Flurwinkeln und in Aufzugsbereichen mit variablen, auf Forexplatten aufkaschierten Originalstrukturierungen, die jeweils die Farbabwicklung der Bereiche, in denen sie sich befinden, aufnehmen, ergänzt werden. Dabei liegt mir sehr viel daran, daß meine Arbeit in keinem Fall Bewegungssicherheit hindert. So sind diese kleineren Elemente über Körpergröße angebracht und nehmen Bezug auf den Bereich Deckenschlitz – oberer Türrahmen.
Die verwendeten Grundmaterialien sind Forexplatten, die sich durch ihre Leichtigkeit, Elastizität, Stabilität, Nichtbrennbarkeit und leichte Bearbeitbarkeit als Träger meiner Malerei besonders gut eignen, sowie Acrylfarbe auf Köperstoff, welche wasserfest, abwischbar, geruchfrei, lichtecht und altersbeständig ist.
Ich verspreche mir von dieser Konzeption eine spannende Belebung der Flure, da sowohl mit Eigenwerten der Farben, unaufdringlichem Formenspiel und elementar lebendiger Malerei nicht nur eine ergänzende Komponente zum technischen Charme des Pallasgebäudes erreicht werden kann.
In meinem Katalog „Berlin – Praha 1996-1997“
schreibt Dr. Peter Funken im Vorwort:
(…) Für uns, die Insassen des Alltags, wird durch Petr Hrbeks Malerei etwas sichtbar gemacht, das außerhalb des Alltags liegt; denn das, was er malt, ist scheinbar paradox, rein strukturhaft und befindet sich außerhalb der Realität der organisch-physischen Welt: Es handelt sich dabei um Hochkomplexes, um Sublimes und um den Vorschein einer Wirklichkeit, die jenseits der Welt des rein Materiellen existiert.
In seiner Kunst befaßt sich Petr Hrbek mit dem Wesen und der Wirkung der Malerei. Das heißt, er beschäftigt sich mit einem zentralen Erkenntnisanteil der Kunst, die zwar von Menschen gemacht wird und sich somit auch auf das Menschsein bezieht, und die trotzdem oder gerade deswegen nicht nur auf das Diesseitige gerichtet ist. Petr Hrbeks Beitrag zu diesem Thema liegt in der Formulierung einer eigenen, abstrakt-konkreten Ausdrucksform und der Erfindung eines vermeintlich paradoxen, realillusionistischen Bildkontinuums.Die bewegten Bilder Petr Hrbeks bringen den Geist in Bewegung. Sie sprechen von der Möglichkeit des Übernatürlichen in allen Erscheinungen. Ein wichtiger Zugang zu einer solchen Erfahrung liegt für unsere Kultur in der Malerei und er bedarf natürlich eines Kreators. Petr Hrbek besitzt die Fähigkeit, einen solchen Zugang zum Wesen des Universums mit seiner Malerei zu analysieren und über sie zu sprechen – und das bedeutet auch, sie zu begreifen und uns selbst zu entwickeln. Etwas Besseres konnte uns nicht passieren! (Dr. Peter Funken)
Petr Hrbek, Stuttgart 1996