Ausgewählte Absätze über Petr Hrbeks Werk von Arsén Pohribný 1985
Diese Ausstellung bestätigt den vielversprechenden Anlauf der internationalen Karriere Petr Hrbeks. Sein Lebenslauf deutet uns zwar teilweise seine Erfolge an, besagt aber nichts über die einmaligen Qualitäten seiner Arbeiten. Die Eroberungen dieses Maler-Explosionalisten, die eher sein slawisches Temperament als seine deutsche Ausbildung verraten, liegen abseits der Hauptströmungen der jungen Generation. Die heutzutage wiederhergestellte Souveränität der Malerei nützt er in so extremer Weise aus, dass sie mehrmals ihre Grenze überschreitet.
Hrbek malt keine einfachen Figuren, er hat auch etwas gegen expressiv verkrampfte Geschichten. Seine Malerei ist eine sprudelnde, rein gestische, aus Tausenden von Pinselstrichen, puren Piktogrammen anwachsende. Sein nervöses Lebensgefühl und eine Intuition der diszentrierten, fließenden Realität verfolgend, schüttet er ein zersplittertes Weltbild auf, etwa im Sinne der Futuristen, Joyce, Pollock oder Stockhausen
Schon ein Piktogramm, ein Tropfen des Malkataraktes von Petr Hrbek (das Muster finden Sie auf der Einladung) suggeriert: diese echte Malerei ist gleichzeitig noch etwas anderes – ein Ritual vielleicht, sicher aber eine Aktion in und mit dem Raum.
Dieser vielschichtige und widersprüchliche Prozess lässt sich erleben. Beim Betreten der Ausstellung werden Sie durch Malerei getroffen. Die Farbsplitter dieser permanent explodierenden Malgranaten und der scharfe, funkelnde Schrott durchbohren Sie. Die glühenden, penetranten Scherben, ihre Pupillen bedrohend, zerschmettern Sehschirme, Ruhe und Gleichgewicht. Der Farbstrom dieses jubelnden, verführerisch zischenden Stromes reißt Sie wie ein Choral des Polarlichtes mit.
So katastrophal und zugleich unbeschreiblich reizvoll wirkt sich dieser Hrbek’sche Effekt aus, das Ergebnis von „Aufpeitschen, das heißt von feiner Ausglättung“, wie er zu sagen pflegt.
Erst nach diesem Schock werden Sie merken, dass da keine eigentlichen Bilder hängen, eher so etwas wie zornig schnaufende Teilstriche, Ausdrücke von „gesunder Einseitigkeit eines emotionalen Mensches“, gegen die düstere Wirklichkeit.
Keine Bilder also, keine dekorativen Stücke, nichts was man sich für längere Zeit an die Wand hängen könnte, eher gemalte Feuerwerke. Wofür? Zum Erleuchten oder zum Bezweifeln bestimmter Lebensphänomene? Also ein permanentes Farbfeuerwerk als unablässiges Ausfragen, teils mit irritierenden Kampfrufen. Da muss ein rasanter Aufbruch ins Unbekannte folgen, eine Tür aus Angel.
Hrbek, dieser Berserker der Malerei, behauptet öfters, er wolle nichts Bestimmtes ausdrücken, auch dann, wenn er die Signale des Liebesfeuers verstreut. Sind dies nicht die Botschaften der Liebe an die blendende Kraft der Farben, die unsere innere Vernunft lähmt und unsere Sinne verzaubert?
Was verbirgt sich alles in Hrbeks Malverfahren? Eine Opfergabe an den Dämon Malerei? Während eines solchen Malrituals lockert sich die Mechanik der Schichtung, wird spontaner, zügelloser.
„Die farbigen Fische meiner Farbflecken springen aufs Dach“, bemerkt er. Der anfängliche Dialog verwandelt sich in Chorgesang. Diese Malerei, an sich dynamisch, ergießt sich außerhalb, springt in den Raum. Jetzt ist es nötig, diese Raumaktivierung, diese dreidimensionale Fortsetzung der Malaktion aufzuhalten, und zwar mittels des Konstruktes und weiter mittels der Installation.
Hrbeks Versuche in dieser Richtung datieren seit 1981. Denkwürdig bleibt sein Raumkonzept von 1982, das sich nicht nur aus dem Saal selbst, sondern vor dem Haus der Galerie löste und wie entfesselt diagonal emporstrebte. Nicht nach gemalter Illusion, sondern nach Verwirklichung inmitten von Leben sehnte er sich.
Seine heutigen Mal-Konstrukte und Installationen in ihrer sprunghaften Unruhe, beleidigen die rechtwinkligen Interieure und stellen eigentlich auch die Regeln des Museums in Frage. Er lehnt das Definitive ab, „ … weil ich ständig einer Zwischenstation näher bin als einem Endzustand …“. Die Zeichen der Tradition werden aus Zwangsordnungen gelöst, jedes veränderbar, auflösbar, ummontierbar. „Die Zusammenhänge sollen locker sein – der Fluss soll in die Malerei übergehen …“. Fühlt er sich selbst als Fluss, der jedoch auch zum Firmament emporzusteigen vermag?
Fast unauffällig erschließen diese malerischen Raumobjekte neue Reize der Malspuren, je nach deren Stellung im Raum. Sie ermöglichen andere Wahrnehmungen, ein anderes Tempo der Farb-Bewegung. Diese malerischen Anti-Architekturen und Nicht-Plastiken übernehmen – schon ihrer Interdisziplinarität wegen – neue Erkenntnisfunktionen. Auch durch Paradoxe und Widersprüche. „Meine Malerei ist ständige Widerlegung, permanentes Versuchen um Gegensätze. Gerade diese Unfähigkeit von fester Position begründet den wichtigsten Ausdruck meines Schaffens …“.
Sie ist unter anderem eine jubelnde Widerlegung des mechanischen Hin und Her des Alltags, eine konfliktvolle Antwort auf die Gefühllosigkeit und die Unnatürlichkeit der Betonzivilisation, die man durch den farbigen Fluss der Vitalität ersetzen soll. Hrbeks flimmernde Farbfahnen manifestieren:
„Ich will der große märchenhafte Fluss werden – um alle Flächen und Tiefen der Welt zu durchdringen …“
Arsén Pohribný, 17.01.1985